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in Wolfenbüttel

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Alfred Rülf

geboren: 18.09.1923 in Wolfenbüttel

Wohnadresse in Wolfenbüttel: Bahnhofstraße 1

Die biografischen Texte zur Familie Rülf - Rudolf, Gertrud, Alfred und Renate - haben Schü-lerinnen und Schüler des Wolfenbütteler Gymnasiums im Schloss mit ihrer Lehrerin Ann-Kathrin Behm erarbeitet und am 19. November 2015 anlässlich der Stolperstein-Verlegung in Anwesenheit von 18 Angehörigen der Familie Rülf aus Israel im Ratsaal des Wolfenbütteler Rathauses vorgetragen.

Alfred Rülf - ein fiktiver Abschiedsbrief

Lieber Freund,
mit diesem Brief möchte ich mich von dir verabschieden. Meine Familie wird Wolfenbüttel verlassen und nach Palästina auswandern, weil die Situation für uns Juden hier in Wolfenbüttel zunehmen schlechter wird. Besonders in der Schule spüre ich diese Auswirkungen und fühle mich zunehmend unwohl. Begonnen hat alles im Jahre 1933, als ich in die sechste Klasse der Großen Schule kam. In meiner Klasse gab es außer mir noch einen weiteren jüdischen Schüler und das hatte auch einen Grund. Der sogenannte „Numerus Clausus“ bestimmt den prozentualen Anteil an Juden einer Schulklasse. Nur 0.5% dürfen jüdisch sein. Bis auf uns wenige Juden ist die Große Schule durch und durch braun. Jeder Lehrer trägt ein NS-Parteiabzeichen und auf Schulausflügen ist jeder Schüler dazu verpflichtet seine HJ-Uniform zu tragen. Schüler wie ich, die keine Mitglieder der HJ sind, werden hinten eingereiht.
Außerdem wurde angeordnet, dass sich alle, auch Schüler untereinander, mit „Heil Hitler“ begrüßen. Fast alle Schüler, aber vor allem die Lambrecht Brüder, nutzen dies um mich zu schikanieren. Doch nicht nur damit werde ich gedemütigt, sondern auch mit volksgenössischen Liedern, die offen die Tötung von Juden propagieren. Diese Lieder wurden während des Unterrichts  gesungen, ohne dass die Lehrer ihre nationalsozialistischen Überzeugungen vor mir, einem Juden, zurückhielten. Lediglich mein Klassenlehrer Dr.Wacker sprach mit meinem Musiklehrer über das Unterlassen derartiger Lieder. Er war es auch, der mein Ansehen in der Klasse weitgehend rehabilitiert hat, indem er bei einer seiner Kriegsgeschichten einen meiner Onkel, Leutnant Elias, erwähnte, der bei den Soldaten besonders beliebt war. Trotzdem kann ich nicht behaupten, jemals wirkliche Freunde auf der Großen Schule gehabt zu haben. Aus diesem Grund fällt mir der Abschied von Wolfenbüttel nicht besonders schwer. Aber dich wollte ich wissen lassen, warum ich Deutschland den Rücken kehre und mit meiner Familie nach Palästina auswandere. Dort werden sie uns hoffentlich akzeptieren und uns ein angstfreies Leben ermöglichen.
Lebe wohl,
dein Alfred Rülf

Alfred Rülf ist am 18. September 1923 in Deutschland geboren. 1929 wurde er in die Schule an der Wallstraße eingeschult und ging ab 1933 in die sechste Klasse der Großen Schule. 1934 verließ Alfred mit seiner Familie Deutschland. (Seine Eltern reisten zuerst nach Palästina, er und seine Schwester folgten bald.)

geflüchtet: 1934 nach Palästina

Familie:
Rudolf Rülf
Gertrud Rülf, geborene Reis
Renate Rülf, verheiratete Grünberg

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