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in Wolfenbüttel

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Amalie Schloss, geborene Gans

geboren: 01.07.1860 in Jesberg

Wohnadresse in Wolfenbüttel: Im kalten Tale 6 (früher Nr. 2)

Amalie Schloss und ihr Mann Nathan gehörten zu der älteren Generation der Familie Schloss. Nathan Schloss, Jahrgang 1853, starb bereits früh im Jahr 1914. Das Ehepaar hatte sechs Kinder, die zwischen 1884 und nach 1900 geboren wurden. Zu Beginn des „Dritten Reiches“ hatten sie bereits Wolfenbüttel verlassen und flüchteten aus Deutschland von ihren damaligen Wohnorten nach Holland, Argentinien, Brasilien, in die Sowjetunion und in die USA. Die Überlebensgeschichte der Familie ihrer Tochter Ruth in Holland hat ihre Enkelin Helge Löwendorf-Domp in einem Buch festgehalten.

Nach dem Tod ihres Mannes lebte Amalie Schloss allein. Sie galt als belesen und als Goethe-Kennerin. Der nächsten Generation war sie eine beliebte Großmutter und Tante — der gute mütterliche Geist — so kann man es wohl sagen, für die große Familie Schloss in Wolfenbüttel.

Sie erlebte all deren Schicksale von Bedrückung, Demütigung, Gewalt, Flucht und Deportation. 1933 war sie bereits 73 Jahre alt. Im Alter von 80 Jahren musste sie ihr Haus, das ihr geraubt wurde, verlassen. Im sogenannten „Judenhaus“ in der Langen Straße fristete sie mit ihren Bekannten ein unsägliches Leben. Schon bald darauf wurde sie gemeinsam mit anderen älteren jüdischen Wolfenbüttelern in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Als einzige der alten Menschen überlebte sie die Schrecknisse dieses Ortes und kehrte zurück zu ihrer Tochter Irm nach Bremen.

Ihre Enkelin Helge Löwendorf-Domp schrieb über ihre Befreiung:

Sie hatte drei schreckliche Jahre in Theresienstadt überstanden, trotz ihres Alters und der erbärmlichen Umstände im Lager. Die beiden Koffer, mit denen sie 1942 ins Lager kam, hielt sie 1945 erneut fest im Griff, als das Lager befreit war und sie am Ausgang stand. Sie fragte einen alliierten Soldaten nach einer Mitnahmemöglichkeit nach Bremen. Ja, aber nur in einem offenen Lastwagen, der ja wohl nichts für ihr Alter sei. Ihre Antwort: Wenn ich Theresienstadt überlebt habe, dann überstehe ich auch das.


Sie lebte dann später bei ihrer Tochter Ruth, die mit ihrer Familie in Holland in Verstecken die deutsche Terrorherrschaft und die Gefahr der Deportation überstehen konnten.

Aus Deutschland nach Holland zu ziehen war zu dieser Zeit allerdings nicht möglich, da die Holländer keine Deutschen einreisen ließen. Ihr Schwiegersohn, Israel Domp, bat die holländische Königin Juliana um eine Aufenthaltsgenehmigung für die nun fast neunzigjährige Dame. Der Hilferuf an das Königshaus war erfolgreich. Sie lebte einige Jahre mit der Familie, wünschte sich aber, ihre letzten Lebensjahre in Deutschland verbringen zu können.

Ihr Schwiegersohn begann einen langen und ausdauernden Kampf um die Rückgabe des Wolfenbütteler Hauses, der allein schon wieder fast exemplarisch einen Blick auf den damaligen Umgang mit jüdischen Menschen in der neuen Bundesrepublik ermöglicht. Amalie Schloss wollte doch nur zurückhaben, was ihr der Staat des "Dritten Reiches" in verbrecherischer Weise geraubt hatte.

Aus Holland kehrte Amalie Schloss im Juni 1950 nach Wolfenbüttel zurück und lebte einige Zeit zusammen mit ihrer aus den USA ebenfalls zurückgekommenen Tochter Paula in einer kleinen Wohnung im Buchenweg. Im August 1953 zog sie nach Hannover in ein Jüdisches Altenheim. Eine tragische Geschichte, sicher, aber auch eine Geschichte, die letztlich einen Triumph über die Unmenschlichkeit in sich barg: Die Genugtuung für eine alte und agile Dame, die dann im Alter von 97 Jahren am 15. Juli 1957 starb.

Text: Nach einer Vorlage von Dennis Brennecke, Dennis Liedtke und Felix Jahnke, Schüler des Gymnasiums im Schlos

deportiert: 1943 nach Theresienstadt

Befreit

Überlebt

Gestorben am 15. Juli 1957

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