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in Wolfenbüttel

Details

Alice Pohly

geboren: 19.04.1925 in Braunschweig

Wohnadresse in Wolfenbüttel: Leibnitzstraße 4

Alice Eltern waren Rita und Max Pohly. Ihre Schwester hieß Hannah und war vier Jahre älter.

Die begüterte Familie lebte in der Leibnizstraße 4 in Wolfenbüttel. Die Lehrerinnen Fräulein Hirschberg und Fräulein Becker wohnten im selben Haus zur Miete, außerdem die Familie Mast. Ebenfalls im Haus lebten ihre Großeltern mütterlicherseits, Hermann und Betty Frankenberg.

Alice besuchte das Gymnasium im Schloss in Wolfenbüttel. Die Mitschülerin Dorothea Cooper berichtete, Alice sei ein niedliches Mädchen mit Herrenschnitt gewesen, das immer schick gekleidet war. In der Schulklasse sei sie gut integriert gewesen. Alice hatte Freunde und feierte mit ihnen in der Leibnizstraße Geburtstage. Das Mädchen war gut in der Schule. Im Schuljahr 1938 mussten jüdische Schüler die deutschen Schulen verlassen.

Ab dem 15. Oktober 1941 lebte die vierköpfige Familie Pohly im „Judenhaus“ in der Karrenführerstraße Nr. 5 in Wolfenbüttel. Sie wohnten dort im zweiten Stock, in zwei Zimmern. Die ledige Haushaltspraktikantin arbeitete in Ahlum ohne Gehalt zu beziehen.

Am 19. März 1942 musste die junge Frau dem Finanzamt ihre Vermögensverhältnisse bekannt geben. Die 17 Jahre alte Alice besaß zu diesem Zeitpunkt zwei Winterkleider, vier Sommerkleider, einen Mantel, eine Jacke, drei Blusen und zwei Paar Schuhe. Das Vermögen wurde vom Deutschen Reich eingezogen, bevor man Alice 1942 deportierte (belegt in der Opferliste der Gedenkstätte Yad Vashem, 25.01.2002). 
Laut der unbestätigten Aussage des Zeitzeugen Alfred Rülf wurde Alice in ein Wehrmachtfeldbordell gebracht. Dort sei sie von Hunden getötet worden.
Alice wurde ab dem 31. Dezember 1945 für tot erklärt (laut Gedenkbuch der Bundesregierung/ Bescheinigung aus dem Jahr 1952).

Recherche und Text: Leibnitz-Realschule Wolfenbüttel

 

Brief an Alice

                                    Wolfenbüttel, den 07.06.23

Liebe Alice,

neulich habe ich vor deinem Haus in der Leibnizstraße 4 in Wolfenbüttel gestanden. Dort sind Stolpersteine verlegt und ich weiß, dass du ein furchtbares Leben hattest.

Ich habe mich über dein Schicksal informiert.

Du bist genauso wie ich in Wolfenbüttel zur Schule gegangen und wohntest sogar mit deinen Lehrerinnen in einem Haus.

Das könnte ich nicht! Das wäre gruselig!

13 Jahre warst du alt, als du die deutsche Schule verlassen musstest. Ich durfte mit 13 Jahren weiterlernen und habe nie darüber nachgedacht, dass mich jemand von der Schule schmeißen könnte.

Mit 16 Jahren musstest du aus der Leibnizstraße ausziehen und wohntest in einem Judenhaus in der Karrenführerstraße. Man hat dich zusammen mit den Juden Wolfenbüttels in baufällige Häuser abgeschoben. Heute sieht man von den Häusern nichts mehr, sie wurden vor langer Zeit abgerissen.
 Dort war es sicher eng, es war vielleicht stickig, vielleicht kalt, wenn es nicht beheizt war. Niemand hatte wirklich Ruhe. Ihr hattet Angst vor dem was passiert. Deine Familie hat gehofft, bald in Palästina zu sein.

 Deine Kleidung hat dir das Deutsche Reich weggenommen. Vielleicht hofftest du, sie wird nach Palästina vorausgeschickt. Aber ich weiß, dass es anders war.

Die Deutschen hatten nie vor, dich nach Palästina zu schicken und deine Kleidung wurde wiederverwertet für die Deutschen.

1942 wurdest du abgeholt und zusammen mit deiner Familie wahrscheinlich mit dem Zug nach Warschau geschickt. Vielleicht hast du immer noch gehofft, es geht nach Palästina.

In Warschau hat die SS dich von deiner Familie getrennt. Du warst ein hübsches Mädchen und dich konnte man in einem Wehrmachtbordell gebrauchen.

Du warst 17 Jahre alt, genauso wie ich!

 ,,Warum ich?“,  hast du gedacht. Aber für die Deutschen spielte das keine Rolle. Du warst eine Jüdin!

Manche Soldaten haben sich über deine Angst und deine Schmerzen lustig gemacht. Sie hetzten Hunde auf dich. Einer hat dich zerrissen!

Was für ein Schicksal!

Deine Eltern haben sich umgebracht, als sie davon erfahren haben. Von deiner Schwester weiß man nichts.

Dein Schicksal tut mir sehr leid und wir dürfen deine Geschichte nie vergessen!

Deine C.G.

deportiert: 1942

Für tot erklärt

Familie:
Gelly van der Wyk
Hannah Pohly
Max Pohly
Rita Pohly, geb. Frankenberg

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