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in Wolfenbüttel

Details


Ludwig Hirsch

geboren: 30.08.1919 in Thorn

Wohnadresse in Wolfenbüttel: Lessingstraße 10 (ehemals 4)

Ludwig Hirsch wurde am 30.08.1919 in Thorn geboren und zog 1933 nach Wolfenbüttel. Sein Vater war Jakob Hirsch, verstorben in Breslau, und seine Mutter war Selma Hirsch, geborene Jakobi, die in Thorn, Ludwigs Geburtsort, verstarb. Während seiner Zeit in Wolfenbüttel war Hermann Daniel der Vormund des noch nicht volljährigen Ludwig.
Die Nationalsozialisten hatten am 14.07.1933 das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ erlassen, um „die Reinhaltung des gesunden Volkskörpers“ sicherzustellen. Dieses Gesetz stellte die Grundlage für die Ausgrenzung, Verfolgung und spätere Ermordung von Menschen mit vermeintlichen Erbkrankheiten dar. Auf dieser Grundlage beantragte der für Wolfenbüttel zuständige Amtsarzt am 24.11.1936 die „Unfruchtbarkeitmachung“ Ludwigs, die in einer mündlichen Beratungssitzung des „Erbgesundheitsgerichts Braunschweig“, dem Amtsgerichts-rat, dem Medizinalrat (Dr. Muhlert) und einem Nervenarzt (Dr. Weiß) beschlossen wurde. 
Der vermeintliche Anlass für diese Maßnahme war, dass Ludwig „zurückgeblieben“ sei und an „angeborenem Schwachsinn leide“.  Aus diesen Gründen besuchte er wohl auch eine Förderklasse und erhielt Privatunterricht. Bei einer sog. „Intelligenzprüfung“*  wurden eine angeblich schlechte Auffassungsgabe, ein langsamer Gedankenablauf, eine herabgesetzte Kombinationsgabe und mangelndes Urteilsvermögen festgestellt. Kinder Ludwigs hätten demzufolge angeblich körperliche und geistige „Erbschäden“ aufweisen können.  
Aus einem Briefwechsel zwischen den Ärzten und Ludwigs Vormund Hermann Daniel geht hervor, dass Hermann Daniel zunächst nicht widersprach. Obwohl er am 03.12.1936 forderte, das Gesetz vorgelegt zu bekommen, stimmte er den Maßnahmen vier Tage später zu. Später (am 14.01.1937) bat er jedoch um eine Fristverlängerung, da er die Hoffnung hatte, dass Ludwig viel aufholen könne, weil er sich gut entwickeln würde und er im Januar 1937 eine Lehrstelle im Neuen Weg 34 bekam. Der Brief zeigt eindrücklich und berührend, wie sehr der ebenfalls von den Nationalsozialisten verfolgte Hermann Daniel versucht hat, sein Mündel zu schützen.
Die Zwangssterilisation erfolgte jedoch am 27.03.1937. Am 01.04.1937 wurde Ludwig wieder entlassen. In den medizinischen Akten findet sich der zynische Vermerk, man habe Ludwig „geheilt“ entlassen. In einem Brief vom 06. April 1937 bittet Hermann Daniel darum, die Kosten für die Sterilisation nicht Ludwig Hirsch aufzubürden. 
Am 25. März 1942 wurde Ludwig Hirsch unter anderem zur Zahlung einer Abgabe an die „Reichsvereinigung der Juden“ gezwungen. Sein gesamtes Vermögen wurde im selben Jahr „eingezogen“. Am 31.03.1942 wurde Ludwig Hirsch nach Polen deportiert, von diesem Tag stammt auch sein letztes Lebenszeichen in Form eines Briefes an Georg Hirsch. Das örtliche Finanzamt übernahm nach seiner Deportation am 31. März 1942 aus Ludwigs Besitz fünf Handtücher und vermerkte: „Für die Ausstattung des Finanzamtes Wolfenbüttel entnommen und ordnungsgemäß vereinnahmt.“ Laut einer Vermögenserklärung vom 20.03.1943 besaß er einen Bargeldbestand von 24 RM, Bettwäsche und Kleidungsstücke. Die amtliche Feststellung seines Todes wurde am 13.03.1947 unterzeichnet, als Todestag wird der 08.05.1945 festgesetzt, was jedoch höchstwahrscheinlich nicht dem tatsächlichen Todeszeitpunkt entspricht. 
Ludwigs Brüder stellten 1947 als seine Erben Antrag auf Rückerstattung seines Vermögens, jedoch waren die Grundstücke 1938 verkauft worden und das bewegliche Vermögen an das Deutsche Reich gefallen.
Der minderjährige Ludwig musste während seiner Zeit in Wolfenbüttel fast jährlich den Wohnsitz wechseln. Aus diesem Grund und weil an seiner letzten Meldeadresse (Halchtersche Str. 11)  in Wolfenbüttel kein Wohnhaus mehr steht, wird sein Stolperstein gemeinsam mit dem seines Bruders vor der heutigen Lessingstraße 10 (ehemals Lessingstraße 4) verlegt.
 

*  Diese „Prüfung“ war eindeutig unwissenschaftlich und die Durchführenden waren voreingenommen.

Foto: Bildarchiv Jürgen Kumlehn

Text und Recherche: Klasse 10nw Gymnasium im Schloss Wolfenbüttel

Quellen:

Nds Landesarchiv:

60 Q Nds Zg. 52/85 Nr. 1
58 Nds Fb. 3 Nr. 1015 Zg. 2009/037
58 Nds Fb. 3 Nr. 743 Zg. 2009/037
118 Neu 6 Nr. 260 Zg. 92/1995
58 Nds Fb. 3 Nr. 950 Zg. 2009/037
15 R4 Nr. 7 Zg. 46/1989
4 Nds Zg. 2017/11 Nr. 6828
120 Z Nr. 9/6

Kumlehn, Jürgen: Jüdische Familien in Wolfenbüttel. Spuren und Schicksale. Braunschweig 2009. S. 254 ff.

deportiert: 31.März 1942

Für tot erklärt 08.05.1945

Familie:
Hermann Daniel
Betty Hirsch, geborene Daniel
Georg Hirsch
Ellen Hirsch
Siegmar Hirsch

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