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in Wolfenbüttel

Details


Johanna Goldberg

geboren: 03.01.1857 in Westerkappeln (NRW)

Wohnadresse in Wolfenbüttel: Lange Herzogstraße 46

Johanna Goldberg wurde am 3. Januar 1857 in Westerkappeln im nördlichen Nordrhein-Westfalen geboren. Ihre Eltern stammten aus alteingesessenen jüdischen Familien, deren Biografien von väterlicher Seite bis in das 18. Jhd. zurückverfolgt werden können.[1] Johanna war die Älteste der Geschwister, blieb jedoch unverheiratet und lebte – für die damalige Zeit nicht unüblich – mit ihrer Schwester Sara Sonnenberg, geb. Goldberg, und deren Familie zusammen.[2]
Über fast vier Jahrzehnte lebte Johanna Goldberg in Wolfenbüttel, wo die Familie fest verwurzelt war. Der Schwager, Bernhard Sonnenberg, war als Manufakturwarenhändler am Kaiserplatz tätig.[3] Zeitweilig übernahm er auch die Vertretung des Jüdischen Gemeindevorstandes, dessen Vorsitz Gustav Eichengrün innehatte. [4] Johannas Nichten Selma und Jenny und die Neffen Arthur und Harri Sonnenberg wuchsen in Wolfenbüttel auf. Die Schwestern Johanna und Sara pflegten guten Kontakt zu ihren nur wenig jüngeren Geschwistern Minna und Heinemann, die mit ihren Familien und Kindern bis in das Ruhrgebiet verstreut lebten.[5] Erinnerungen an gegenseitige Besuche wurden in Fotografien und Briefwechseln festgehalten. Auch in Wolfenbüttel verbrachten die Familien unbeschwerte Stunden während ihrer Besuche. [6]
Johanna lebte viele Jahre lang bei ihrer Schwester und ihrem Schwager in der Karlstraße 22. Erst im März 1936 zogen sie in die Lange Herzogstraße 46.[7] Im November 1938 erlebten sie von ihrer Wohnung aus die Pogrome in Wolfenbüttel mit. Bei einem Fenstersturz in der Pogromnacht, den Zeitzeugen als Suizidversuch beschrieben, erlitt Johannas Schwester Sara schwere Verletzungen. [8]  An deren Folgen verstarb Sara am 28. November 1938. [9]
Nach diesem Unglück lebten die beiden Senioren allein in der Langen Herzogstraße 46. 1940 kehrte Johannas Neffe Harri Sonnenberg zurück in seine Geburtsstadt und lebte mit seiner Frau Martha, geb. Levi, und der gemeinsamen Tochter Ruth mit Vater und Tante in der gemeinsamen Wohnung. Die Beweggründe, aus denen Harri mit seiner Familie nach Wolfenbüttel zurückkam, sind nicht dokumentiert. Unser Wissen um ihr Schicksal und die familiären Bande lässt aber die Vermutung zu, dass die Sorge um den betagten Vater und seine Tante Johanna die Entscheidung für diesen letzten gewählten Wohnort beeinflusst hat.
Im Juli 1941 wurden Johanna Goldberg und Bernhard Sonnenberg trotz ihres hohen Alters gezwungen, die gemeinsame Wohnung zu verlassen. Johanna kam für einige Tage bei Alfred Pohly unter und wurde von dort in das jüdische Altenheim in der Ellernstraße in Hannover gebracht, von wo aus sie im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Johanna Goldberg wurde am
4. September 1942 im Alter von 85 Jahren ermordet.
In ihrem Familienarchiv bewahrt die Familie Silbermann den letzten Brief auf, den Johanna vor ihrem Tod an ihre Verwandten schickte. Den folgenden Auszug aus diesem Brief entnehmen wir dem Buch von Gertrud Althoff, mit dem sie das Leben und Schicksal u.a. der Familie Sonnenberg und Goldberg nachzeichnet. Johanna Goldberg schrieb am 7. November 1941 aus Hannover:
„(…) Wir mussten am 27./7 unsere Wohnung zur Verfügung stellen, aber für mich war kein Platz zum Schlafen da. Darauf habe ich mich nach vielem Zureden entschlossen, ins hiesige Altersheim zu gehen. Leicht ist‘s mir bestimmt nicht geworden mich vom l. Onkel, mit dem ich 38 Jahre zusammen gelebt habe, sowie von den l. Kindern zu trennen, aber es musste eben sein (…) Der l. Harry & die l. Martha harren der Dinge, die da kommen, hoffentlich gibt’s auch für sie noch mal ei[ne]n Lichtblick (…).“ [10]

[1] Jahnke, B., 2008, 686-689 zit. n. Althoff, G., Vermächtnis eines jüdischen Familienclans aus dem Nordwestern Deutschlands, Münster: Frank Mühle, 2013, S. 44.
[2] Althoff, G., Vermächtnis eines jüdischen Familienclans aus dem Nordwestern Deutschlands, Münster: Frank Mühle, 2013, S. 106.
[3] Kumlehn, J., Jüdische Familien in Wolfenbüttel. Spuren und Schicksale, Braunschweig: Appelhans, 2009, S. 419.
[4] Ebd.
[5] Althoff, 2013, S. 78.
[6] Althoff, 2013, S. 106.
[7] Melderegister Stadt Wolfenbüttel, Johanna Goldberg, S. 765.
[8] Kumlehn, 2009, S. 419.
[9] NLA Wf, 4 BKA ST, 37/64.
[10] Johanna Goldberg an die Familie Silbermann, veröffentlicht in Althoff, G., Vermächtnis eines jüdischen Familienclans aus dem Nordwestern Deutschlands, Münster: Frank Mühle, 2013, S. 115.

 

deportiert: 1942 nach Theresienstadt

Ermordet am 4. September 1942

Familie:
Bernhard Sonnenberg
Sara Sonnenberg, geborene Goldberg
Harri Sonnenberg
Martha Sonnenberg, geborene Levi
Ruth Sonnenberg

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