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in Wolfenbüttel

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Sheppard Kerman

geboren: 08.11.1921 in Chicago

Wohnadresse in Wolfenbüttel: Krumme Straße 28

Sheppard Kerman wurde am 08.11.1921 in Chicago geboren, wo er auch eine Highschool besuchte. Als Kind seiner jüdischen Eltern Simon und Beatrice gehörte er der Anshe Emet Synagoge an.

Nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbour meldete er sich freiwillig bei der USAF. Es entbehrt wohl nicht einer gewissen Ironie des Schicksals – und hier offenbart sich einmal mehr das Tragische am Beispiel des Einzelnen - , wenn man weiß, dass sein Marschbefehl nach Europa gleich zweimal kurzfristig aufgehoben werden musste, da er sich während seiner Ausbildung sowohl einen Knöchel, als auch eine Schulter brach. In beiden Fällen sind die Maschinen, auf denen er hätte fliegen sollen, während ihres Einsatzes abgeschossen worden. In beiden Fällen hat niemand der betreffenden Besatzungen überlebt.

Zweiundzwanzigjährig, erhielt er im August 1944 im Range eines Sergeants, erneut den Befehl, sich als Bordfunker eines B17 Bombers der 360. Bomber Squadron der 303. Bomber Group auf Feindflüge über Deutschland zu begeben.

Es war der 28. September 1944, als seine Maschine, die sich mit ihrem in England gestarteten Bomberverband auf Kurs Magdeburg befand, wo die dortigen Krupp-Werke bombardiert werden sollten, nahe Salzgitter von einer Gruppe deutscher Jagdflugzeuge angegriffen wurde. Binnen weniger Minuten fielen dieser Attacke mehr als ein Drittel der amerikanischen Bomber zum Opfer.

Bevor Sheppard Kerman sich selbst mit seinem Fallschirm aus dem schwer getroffenen und abstürzenden Bomber retten konnte, hat er späteren Aussagen überlebender Besatzungsmitglieder zufolge noch einem verwundeten Kameraden das Leben gerettet, indem er diesem bei dessen Absprung aus der Maschine geholfen hat. Die restliche Crew des in der Nähe von Ohrum zerschellten Flugzeugs, hat den Abschuss - mit Ausnahme des Piloten – überlebt. Acht von zehn kamen in Kriegsgefangenschaft und erlebten so das Ende des Kriegs unversehrt.

Dass Sheppard Kerman von seinem Schirm bis nach Wolfenbüttel getragen wurde, ist vermutlich seinem selbstlosen Einsatz geschuldet, zuerst seinen Kameraden versorgt zu haben und dadurch bedingt entsprechend spät abgesprungen zu sein.

Schon von weitem, so wurde berichtet, konnte man Sheppard Kerman an seinem Fallschirm schwebend am Himmel erkennen bis er schließlich am Giebel dieses Gebäudes hängen blieb. Eine Lage, aus der er sich selbst nicht zu befreien vermochte.

Eine sich am Ort des Geschehens schnell versammelnde Menschenmenge reagierte teils aufgebracht und hysterisch. Wehrmachtsangehörige, die aus dem sich in der Karlstraße befindenden Lazarett hierher eilten, drangen in das Haus ein und zerrten den unbewaffneten amerikanischen Soldaten durch ein Fenster nach innen. Es brauchte nur einen kurzen Augenblick, bis sich jene Szene abspielte, die die auf der gegenüberliegenden Straßenseite wartenden Wolfenbüttler Bürgerinnen und Bürger zu Augenzeugen eines brutalen Verbrechens werden ließ.

Zeugen wussten später zu berichten, dass man von der Straße aus in das völlig verängstigte Gesicht des mit erhobenen Händen dastehenden Sheppard Kerman blicken konnte, bevor er von einem Unteroffizier einer Fallschirmjägereinheit mit einer Pistole von hinten in den Kopf geschossen und ermordet wurde.

Sein lebloser Körper wurde an den Füßen aus dem zweiten Stock die Treppe heruntergeschleift und auf einen Lastwagen geworfen. Ein auf der Straße anwesender Polizeimeister kommentierte das Geschehen auf seine Weise. Wenn der Amerikaner noch lebe, solle man ihm den Kopf eintreten.

Die Namen des Mörders und seiner Mittäter sind bekannt. Sie sind nach dem Kriege seitens der amerikanischen Militärgerichtsbarkeit ihrer gerechten Strafe zugeführt worden.

Was auch immer diese Menschen dazu bewogen hat, jenes unfassbare Unrecht begangen zu haben und zu skrupellosen Mördern geworden zu sein. Ob das alltäglich gewordene Morden an der Front, ob eine über Jahre geprägte ideologisierte Verblendung bis hin zur Ausrufung des „totalen Kriegs“ oder ob die damit einhergehende Frustration angesichts der Erkenntnis des einst propagierten und nicht mehr zu gewinnenden „Endsiegs“ zu dieser Verrohung führte. Vielleicht ist Sgt. Kerman auch das in seine Erkennungsmarke gestanzte „H“ für Hebräer zum Verhängnis geworden.

Wir wissen es nicht. Auch hierin spiegelt sich ein tragischer Moment dieses Krieges wider.

Wohl aber wissen wir, dass es in unser aller Verantwortung liegt, Geschichte wach zu halten, das Geschehene nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, indem wir an die Verbrechen jener Epoche erinnern und ihrer Opfer gedenken, damit sich eben genau dies alles nicht wiederholen möge.

Wenn wir also heute an diesem Ort für Sheppard Kerman einen Stolperstein setzen, um seinen Namen lebendig zu halten und seiner würdig zu gedenken, dann in dem Bewusstsein, dass auch er ein Opfer jener nationalsozialistisch geprägten brutalen Gewaltherrschaft geworden ist. Nicht zuletzt der Entschlossenheit der alliierten Streitkräfte ist es zu verdanken, dass die menschenverachtende NS-Diktatur zerschlagen werden konnte.

Aber es sind auch die Angehörigen, die zu Opfern geworden sind. Sheppards Eltern traf diese Tragödie mit doppelter Wucht. Bereits einen Tag nach dem Ereignis erhielten sie seitens der Airforce Kenntnis, dass ihr Sohn nach einem Einsatz nicht zurückgekehrt sei und vermisst werde. Einen Monat später dann die Nachricht, Sheppard Kerman wäre nicht mehr am Leben. Posthum wurde ihm die Purple Heart Medaille verliehen.

Im Dezember erhielten seine Eltern einen neuerlichen Brief, es gäbe doch sichere Anzeichen, er hätte den Einsatz überlebt und befände sich als Kriegsgefangener in Deutschland.

Erst die Nachfrage bei den deutschen Behörden ergab später die traurige Gewissheit, dass Sheppard Kerman nie mehr von der Mission 248 zurückkehren werde.

Nachdem man ihn zunächst in Wolfenbüttel beigesetzt hatte, sind seine sterblichen Überreste im Juni 1945 nach Chicago überführt worden, wo er seine letzte Ruhestätte fand.

Text: Michael Steffen

Gestorben am 28. September 1944 in Wolfenbüttel

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